Dr.Meyer Immobilien

Selbstnutzung: Wann es sinnvoll ist, die eigene Immobilie zu mieten.

Zur Übersicht 08.12.2021, Marc Balsiger

Ein Generationenwechsel im Stadthaus oder schwelende Konflikte in der Erbgemeinschaft. Selbstnutzung von Immobilieneigentum hat viel Konfliktpotenzial. Das sich jedoch lösen lässt.

Passend zum Jahresende beginnt dieser Beitrag mit einem sentimentalen Bild. Es ist dasjenige des Stadthauses: unten ein kleiner Gewerbebetrieb, oben eine kleine Zahl Wohnungen. Sentimental ist daran, dass solche Gebäude im Verschwinden begriffen sind. Doch auch die Eigentümerinnen und Eigentümer solcher Immobilien müssen oft auf eine ganz besondere Art die Vergangenheit bewältigen – sie werden zu Mieterinnen und Mietern, im Zuge einer sogenannten Selbstnutzung. Wenn sie dabei trotz Sentimentalität keine Taschentücher benötigen, ist dies ein Zeichen, dass sie alles richtig gemacht haben.

Einst Grossfamilie, heute grosse Aufgabe

Das Stadthaus mit Gewerbe- und Wohnnutzung ist eine von mehreren Konstellationen, die zur Selbstnutzung führen können. In diesem Beispiel hat die Eigentümerfamilie früher das Geschäft im Erdgeschoss geführt und die Wohnungen in den oberen Geschossen selbst bewohnt. Das klassische Kleinunternehmen mit Grossfamilie. Im Laufe der Zeit ist die Kindergeneration in die Welt hinausgezogen, und die Eltern haben den Betrieb aufgegeben oder verkauft. Was bleibt, ist eine Immobilie, die eine Partei voll besitzt, aber nur noch teilweise nutzt; die Wohnungen und die Geschäftsfläche vermieten die Eigentümer selbst. Doch das wird irgendwann beschwerlich – spätestens, wenn das Familienmitglied, das die Vermietung übernommen hat, stirbt.

Ein anderes Beispiel sind Menschen, die aus Renditegründen eine grössere Immobilie in der Stadt besitzen und nun selbst die Vorzüge des urbanen Lebens auskosten möchten. Eine weitere Eigentumswohnung wäre zu teuer, warum also nicht eine Wohnung in der eigenen Liegenschaft nutzen? Wieder andere Eigentümerinnen und Eigentümer leisten sich genau für diesen Zweck einen Luxus: Eine Wohnung im Stadthaus ist eingerichtet und steht für ein Wochenende in der Stadt oder für Freunde und Verwandte zur Verfügung. Doch eines tun diese Menschen nicht gerne: die verbleibenden Wohnungen im Gebäude selbst vermieten.

Unangenehme Diskussionen im Lift

Man stelle sich vor, wie man im Lift auf andere Bewohnerinnen und Bewohner trifft, die einem mit ihren Anliegen rund ums Haus konfrontieren. Man ist ja schliesslich Eigentümerin oder Eigentümer, könnte man da nicht einmal für Ordnung im Treppenhaus sorgen? Dem nächtlichen Lärm aus dem ersten Stock nachgehen? Sich um eine Neubepflanzung im Vorgarten kümmern? In all diesen Fällen ist eine grosse Erleichterung, sagen zu können: «Darum kümmert sich die Verwaltung.» Diese nimmt einem nicht nur Arbeit ab, sie vermittelt auch neutral im Rahmen ihres Mandats. Nichts ist unbefriedigender, als der Parteilichkeit verdächtigt zu werden – für alle Seiten.

Daneben sprechen weitere Gründe im Zusammenhang mit einer Selbstnutzung, die Vermietung einer Verwaltung zu überlassen. Das Mietrecht ist im Laufe der Jahre immer komplexer geworden, und Mieterinnen und Mieter immer kompetenter. Das, was man sich vor Jahren an rechtlichem Wissen angeeignet hat, muss heute nicht mehr stimmen. Und Fehleinschätzungen können unangenehme Folgen haben. Unangenehm kann die Situation auch für Erbgemeinschaften werden, bei denen eine Partei im Gebäude wohnt, das im gemeinsamen Besitz ist. Ist diese Partei übervorteilt durch die Selbstnutzung? Oder erledigt sie im Gegenteil viel zu viele Leistungen rund um die Vermietung unentgeltlich? Eine Verwaltung bringt Transparenz in solche Fälle und macht zudem oft erst sichtbar, wie viele Aufgaben mit einer Vermietung verbunden sind.

Aufgaben auslagern, Zweifel ausräumen

Ein weiteres Thema mit Streitpotenzial sind die Nebenkosten. Muss ich, wenn ich eine Wohnung in meinem Gebäude nutze, selbst Nebenkosten zahlen? Die Antwort lautet selbstverständlich «ja»; doch nicht immer wird das eingesehen. Und selbst wenn eine Eigentümerin oder ein Eigentümer Nebenkosten gewissenhaft und transparent selbst abrechnet, bleibt manchmal der Hauch eines Zweifels. Nicht so, wenn sie oder er die Aufgabe auslagert und selbst nur die Rechnung empfängt.

All dies sind keine hypothetischen, sondern reale Beispiele. Auch in manchem Stadthaus, wie am Anfang beschrieben, sind solche Dinge vorgekommen. Aus Sentimentalität wird dann Verbitterung. Doch oft kommt es anders, und die Eigentümerinnen und Eigentümer in Selbstnutzung werden selber zu Mieterinnen und Mietern. Und die Geschichte schliesst mit einem Happy End – und geht sogar noch über Generationen weiter. Übrigens: Wussten Sie, dass streng genommen die meisten Fälle von Selbstnutzung in der Schweiz diejenigen Menschen ausmachen, die in einem Einfamilienhaus wohnen? Doch das ist ein Thema fürs neue Jahr…