Sicherheit – auch eine Frage der Haftung

Zur Übersicht 04.08.2021, Christoph Allemann

Rund ums Haus lauern zahlreiche Gefahren. Sie im Rahmen einer Sanierung zu beseitigen lohnt sich – wenn auch nicht finanziell, so doch aus rechtlichen Gründen.

Um es vorauszuschicken: Das folgende Thema ist nicht angenehm. Denn es geht um Sicherheit im Zusammenhang mit Immobilien, «Sicherheit» wohlgemerkt im physischen, nicht im finanziellen Sinn. Unangenehm ist dieses Thema einerseits, da sich die Diskussion um Was-wäre-wenn-Szenarien dreht – mögliche Schäden an Objekten oder noch schlimmer: an Menschen. Andererseits sind die Sanierungen, die solche Gefahren ausmerzen, in der Regel nicht wertsteigernd, haben also keine Rendite.

Warum sich also mit Sicherheit befassen und diesem Thema überhaupt einen Blogbeitrag widmen? Die ernüchternde wie überzeugende Antwort: weil es rechtliche Relevanz hat. Bei Gebäuden gilt nach Schweizerischem Obligationenrecht die sogenannte «Werkeigentümerhaftung». Demnach haftet die Eigentümerin oder der Eigentümer für Schäden, die durch mangelhaften Gebäudeunterhalt entstehen – unabhängig davon, wer den Schaden unmittelbar verschuldet. Im Folgenden ein paar häufige Beispiele, wo am Gebäude Mängel auftreten können und wie man sie erkennt.

1. Geländer und Handläufe
Balkone, Treppen und grössere Absätze haben Geländer respektive Handläufe, denn diese schützen vor Stürzen. Die relevante Norm ist hier SIA-Norm 358 für Geländer und Brüstungen. Grundsätzlich müssen Geländer und Brüstungen für Erwachsene 1 Meter hoch sein, sobald die Absturzhöhe mehr als 1 Meter beträgt. Für Kinder darf bis zu einer Höhe von 75 Zentimeter keine Öffnung von mehr als 12 Zentimeter Durchmesser vorhanden sein. Dabei ist stets die Höhe über der begehbaren Fläche bei Erwachsenen, respektive der besteigbaren Fläche bei Kindern gemeint.

2. Gehwege und Zugänge
Wohnhäuser mit mehr als 8 Wohnungen müssen grundsätzlich barrierefrei erschlossen sein. Für Zugänge zum Hauseingang bedeutet dies, dass sie stufenlos, mindestens 1,4 Meter breit, ohne Quergefälle und mit einer maximalen Steigung von 6 Prozent ausgeführt sein sollten. Auch sollten sie fest und eben sein. Risse und Aufwerfungen, wie sie zum Beispiel durch Baumwurzeln entstehen, die unter dem Gehweg verlaufen, können gerade für Betagte oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen eine Stolperfalle darstellen.

3. Beleuchtung
Auch zu schwache oder falsch gewählte Beleuchtung stellt ein Unfallrisiko dar. Grundsätzlich soll die Beleuchtungsstärke im Gebäude hoch sein, das Licht aber nicht blenden oder durch Reflexionen irritieren. Vor allem indirektes Licht hilft hier, auch sollten Absätze und Treppen durch Beleuchtung hervorgehoben werden. Wichtig ist, die Wirkung der Beleuchtung auch aus Sicht von Menschen im Rollstuhl zu bewerten. Die massgebende Normen sind SIA-Norm 500 für hindernisfreie Bauten und die europäische Norm SN EN 12464-1.

4. Spielplätze
Kinder können beim Spielen Gefahren oft schlecht abschätzen. Deshalb gelten für Spielplätze und Spielgeräte besonders strenge Bestimmungen, die nicht nur die Erstellung, sondern auch die Wartung betreffen. Die Bestimmungen sind für jedes Spielgerät unterschiedlich; grundsätzlich sollten diese der europäischen Norm SN EN 1176 entsprechen.

6. Pools, Teiche und andere Gewässer
Gerade für kleine Kinder können offene Gewässer rund um Gebäude eine Gefahr darstellen. Deshalb sollten Teiche und Biotope nicht tiefer als 20 Zentimeter sein oder am Rand eine 20 Zentimeter tiefe Flachwasserzone haben. Swimming Pools sollten, wenn sie nicht gebraucht werden, mit einer stabilen Abdeckung bedeckt werden. Bei mobilen Pools sollte dann die Leiter entfernt werden. Auch ein Zaun ist eine gängige Sicherungsmassnahme von Gewässern.

7. Weitere Gefahrenquellen
Die oben stehenden Beispiele sollen nicht als abschliessende Liste verstanden werden. Rund ums Haus gibt es verschiedene Gefahrenquellen, die je nach Grösse, Alter und Bauart eines Gebäudes unterschiedlich sind. Von Schrägdächern können Ziegel auf Passanten herabfallen, offene oder schlecht gesicherte Schachtdeckel können ebenfalls gefährlich werden – etwa für Kinder und Menschen, die in ihrer Sehfähigkeit eingeschränkt sind. Für Besitzer lohnt sich hin und wieder ein kritischer Gang durch die Immobilie, idealerweise in Begleitung einer Expertin oder eines Experten.

8. Baustoffe
Einige Baustoffe können ebenfalls die Gesundheit gefährden. Am bekanntesten dürfte Asbest sein, das seit 1990 in der Schweiz verboten ist, sich jedoch noch in vielen Altbauten befindet. Im verbauten Zustand geht vom Asbest zwar keine Gefahr aus, wohl aber, sobald es bearbeitet oder beschädigt wird und als feine Faser schwere Lungenschäden verursachen kann. In jedem Fall gefährlich sind polychlorierte Biphenyle (PCB), die in Farben und Lacken oder Fugendichtungsmassen vorkommen und ausgedunstet werden können. Sie sind seit den 1980er-Jahren verboten, jedoch ebenfalls noch heute anzutreffen.

Normen und Ausnahmen

Die letzten Beispiele zeigen: Normen ändern im Verlauf der Zeit. Und viele Altbauten, die einst nach technisch und rechtlich neustem Stand erstellt oder saniert worden sind, genügen heute nicht mehr. Dass solche Normanpassungen auch in jüngerer Zeit passieren, zeigen die Schweizerischen Brandschutzvorschriften, die erst 2015 komplett überarbeitet worden sind.

Keine Regel jedoch ohne Ausnahme. Zunächst muss die Bestandesgarantie erwähnt werden, die Altbauten geniessen. Sie bedeutet, dass Besitzerinnen und Besitzer ihre Gebäude, die nicht den neuen Normen entsprechen, nicht automatisch sanieren müssen. Ist aber ohnehin eine Sanierung geplant, müssen auch nicht mehr normkonforme Anlagen und Bauteile erneuert werden. Ausnahmen ermöglicht hier allenfalls der Denkmal- und Ortsbildschutz. So können beispielsweise bei historischen Gebäuden Fensterbrüstungen tiefer ausfallen, wenn dafür spezielles bruchfestes Fensterglas verbaut wird.

Fazit: lieber das Notwendige tun

Wie eingangs erwähnt, ist das Thema Sicherheit kein angenehmes – auch nicht für uns. Denn als Bauexperten können wir nicht anders, als unsere Kundinnen und Kunden bei einer Begehung auf Sicherheitsmängel hinzuweisen. Die Entscheidung, die Mängel zu beheben oder nicht, können wir dabei nicht abnehmen. Angesichts der Tatsache, dass es sich nicht um wertsteigernde Massnahmen handelt und Bestandesgarantie gilt, fällt sie nicht immer leicht. Wer ohnehin eine umfassende Sanierung plant, bei der zum Beispiel energetische Verbesserungen am Gebäude geplant sind, fällt den Entschluss zur sicherheitstechnischen Sanierung vermutlich am schnellsten. Doch auch wer ihn nach langem Abwägen trifft, hat am Ende ein Gebäude auf dem aktuellen rechtlichen Stand.