Glockenturm Tscharnergut: Sanierung mit Herzblut

Zur Übersicht 28.10.2022, Philipp Aeberhard, Leiter Bewirtschaftung

Seit Ende Oktober 2022 spielt der Glockenturm Tscharnergut wieder seine Melodien. Es ist das Ende einer aufwändigen Sanierung. Und ein lange währendes Geschenk an das Quartier.

Wie alle guten Geschichten beginnt auch diese mit einem kleinen Wunder. Nachdem das Tscharnergut Anfang der 1960er-Jahre erbaut wird, beschliesst das Architektenteam rund um Hans Hartmann, dem Quartier einen Glockenturm zu schenken. Eine Tradition aus den Niederlanden, woher einer der Architekten stammt. Ein Geschenk, das rasch angenommen wird, denn es gibt dem Quartier etwas, das ihm bisher fehlt: ein Identifikationsmerkmal.

Um zu erfahren, was genau der Glockenturm für das «Tscharni» bedeutet, habe ich mich mit Otto Wenger unterhalten. Er leitet seit über 30 Jahren das Quartierzentrum Tscharnergut gleich neben dem Glockenturm. Und er kennt den Turm und seine Geschichte wie wenige sonst.

Was bedeutet der Glockenturm für das Tscharnergut?

Otto Wenger: Er ist so etwas wie ein Stück Heimat. Die Melodien – es sind über das Jahr immer andere – kennen die Leute inzwischen. Man hört sie nirgends sonst, und wenn man es tut, weiss man: Ich bin zu Hause. Das Schöne am Glockenturm ist, dass sich sein Geläut der Jahreszeit anpasst. Und da er offen ist, reagiert er sogar auf das Wetter. Wenn im Winter Schnee auf den Glocken liegt, klingt er gedämpft – das hat etwas Magisches.

Der Glockenturm wurde vom Quartier «angeeignet», heisst es. Was bedeutet das?

Zunächst muss man wissen, dass der Glockenturm ein Geschenk an das Quartier war. Bis heute sind die Eigentumsverhältnisse unklar. Viel wichtiger als die Frage des Eigentums war aber die Frage, wer den Turm bedient und sich um die eigenwillige Steuerung kümmert – bis zur Sanierung erfolgte sie über Lochbänder. Diese Aufgabe haben mehrere Menschen aus dem Quartier übernommen, am längsten Ernst Wermuth, der in über 30 Jahren in etwa genau so viele Bänder mit Melodien geschrieben hat. Heute haben dieses «Amt» seine Tochter Ursula und Rolf Moser inne.

Kennen alle Menschen im Quartier diese Geschichte?

Das denke ich nicht. Es sind vor allem die älteren Semester, die eine Beziehung zu den Anfängen des Quartiers haben. Aber dass zum Beispiel der Glockenturm auf den Kaffeetassen im Café Tscharni abgebildet sind, weiss fast niemand. Dass man den Turm so verewigt, zeigt aber, welchen symbolischen Wert er hat. Ich finde es wichtig, den Turm und dessen Geschichte auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Es ist ein Stück Quartiergeschichte, dem sollte man Sorge tragen.

Gibt es auch kritische Stimmen zum Turm?

Fast keine. Die einzigen, die mir bekannt sind, stammen aus dem Studentenwohnheim. Die Leute dort würden gerne länger schlafen und stören sich deshalb manchmal am Geläut (lacht). Ansonsten hört man im Gegenteil nur dann etwas, wenn der Turm einmal nicht oder falsch spielt. Dass er jetzt lange Zeit stumm war, hat man im Quartier also definitiv vernommen. Oder besser gesagt: ihn vermisst.

Danke für das Gespräch, Otto Wenger.

Der Glockenturm Tscharnergut wurde zwischen 2019 und 2022 von Dr.Meyer im Auftrag der Tscharnergut Immobilien AG saniert, die den Turm unterhält. Die Sanierungskosten beliefen sich auf 250’000 Franken. Damit wurde der Turm äusserlich instandgesetzt, die Kugel und der Stern an der Spitze neu vergoldet und das Glockenspiel digitalisiert. Neu ist die Technik in einem Schaukasten oberirdisch neben dem Glockenturm, der auch etwas über die Geschichte des Turms erzählt. Warum dieser Aufwand? Weil damit ein Stück Quartiergeschichte erhalten bleibt, etwas, das den Menschen im Tscharnergut gehört. Für sie arbeitet Dr.Meyer schon seit Beginn der langen Unternehmensgeschichte.