Elektromobilität und Ladeinfrastruktur: Agieren oder reagieren?

Zur Übersicht 27.03.2024, Marco Baumgartner, Leiter Wohnimmobilien

Die Elektromobilität erobert stetig Marktanteile. Auch wir als Verwaltung und unsere Eigentümerinnen und Eigentümer sind betroffen und suchen nach einem vorausschauenden Umgang.

Diese Art von Anruf erhalten wir immer häufiger: Ein Mieter hat ein Elektroauto bestellt, das in einer Woche geliefert wird. Ob wir bitte noch rechtzeitig die Ladestation in der Einstellhalle bereitstellen könnten. Das folgende Gespräch ist dann oft unangenehm. Für den Mieter, der erfährt, dass man in einer Einstellhalle nicht einfach so schnell Ladeinfrastruktur bereitstellen kann. Für uns, da wir die Erwartungen eines Mieters enttäuscht haben. Dabei ginge es auch anders.

Best Practice in der Einstellhalle

Ein positives Beispiel konnten wir jüngst in einer Einstellhalle realisieren, die wir für einen Kunden verwalten. Dort haben wir die komplette Grundinfrastruktur erstellen lassen: ein verstärkter Netzanschluss, der mit den grossen Stromflüssen beim Laden zurechtkommt, Lademanagement, das bei gleichzeitigem Laden vieler Fahrzeuge Lastspitzen im Stromnetz vermeidet, und die Verkabelung bis zu jedem Stellplatz. Als letztes Puzzleteil können die Mieterinnen und Mieter nun noch eine Wallbox installieren lassen, sobald sie diese benötigen. Das Beispiel zeigt deutlich, warum schnell eine Station zu erstellen, keine gute Idee ist. Die Grundinfrastruktur fehlt. Würde man sie für jede neue Partei erstellen oder anpassen, hätte dies hohe Kosten und ein technisches Durcheinander zur Folge.

Wer finanziert die Ladeinfrastruktur?

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Eigentümerschaft, denn sie finanziert in der Regel die Grundinstallation. Bei der genannten Einstellhalle war es ein privater Eigentümer, der die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität erstellen wollte, weil er diese für zukunftsträchtig hält. Eine Investition aus Überzeugung also, die sich zwar rechnet, aber nicht unmittelbar. Die Finanzierung der Ladestation liegt allerdings bei den Mieterinnen und Mietern und wird über eine Mietzinserhöhung gelöst. Dieser Finanzierungsschlüssel ist durchaus verbreitet.

Ladeinfrastruktur und ihre Ausbaustufen

Eine Einstellhalle muss allerdings nicht in dieser Art ausgerüstet werden, um für die Ladeinfrastruktur vorbereitet zu werden. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA nennt fünf mögliche Ausbaustufen, die von A – es bestehen lediglich Leerrohre für Kabel – bis zu D – alle Stellplätze haben Wallboxen – reichen. Wichtig ist neben der baulichen Ausrüstung auch die elektrische Anschlussleistung. Hier bietet sich eine frühzeitige Abklärung an, denn gegebenenfalls muss das lokale Elektrizitätsunternehmen den Hausanschluss aufrüsten.

Abrechnungslösungen und der Teufel im Detail

Spätestens, wenn die ersten Mieterinnen und Mieter eigene Ladestationen nutzen, muss die Abrechnung geklärt sein. Die technische Komponente ist einfach gelöst, da alle Wallboxen über einen integrierten Zähler verfügen, der über eine dedizierte Internetverbindung ausgelesen werden kann. Bei der Frage, wer ausliest, existieren zwei Ansätze. Entweder übernimmt das lokale Elektrizitätsunternehmen oder ein anderer Dienstleister die Abrechnung oder die Verwaltung unter Zugriff auf das Abrechnungsportal der Wallbox. Aus Sicht einer Immobilienverwaltung ist die zweite Option klar zu bevorzugen, da wir so alle Nutzungsdaten im Gebäude kennen und die Eigentümerschaft transparent beraten können.

Verschiedene Haltungen zur Elektromobilität

Wie gehen nun Eigentümerinnen und Eigentümer mit der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität um? Vereinfacht gesagt, gibt es zwei entgegengesetzte Lager. Auf der einen Seite stehen die institutionellen Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilienportfolios. Von ihnen haben viele in den letzten Jahren Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt, in deren Rahmen auch die Förderung der Elektromobilität eine Rolle spielt. Sie kommen oft bereits mit vorhandenen Konzepten für Ladeinfrastruktur zu uns. Auf der anderen Seite stehen private Eigentümerinnen und Eigentümer, die erst bereit sind, in Ladeinfrastruktur zu investieren, wenn eine ausreichende Nachfrage seitens der Mieterinnen und Mieter besteht. Ein klassisches Huhn-Ei-Problem, denn die meisten Mieterinnen und Mieter kaufen erst dann ein Elektroauto, wenn die Ladeinfrastruktur bereitsteht. Die eingangs erwähnten Fälle sind zwar unangenehm, aber eine klare Minderheit.

Lieber aktiv als passiv

Wie gehen also wir als Immobilienverwaltung das Thema an? Wir bevorzugen die aktive Haltung. Das bedeutet nicht, dass wir alle unsere Eigentümerschaften dazu überreden wollen, ihre Einstellhallen mit Ladeinfrastruktur auszurüsten. Wir möchten lediglich dazu anregen, früh genug eine Bestandsaufnahme zu machen und grundsätzliche Fragen zu klären. Ist eine Gesamtlösung für die Einstellhalle möglich? Toleriert man Einzellösungen? Wie könnten als Sonderfall Stockwerkeigentümergemeinschaften hier einen Konsens finden? Wer diese Fragen rechtzeitig klärt, wird nicht von der Marktdynamik der Mobilitätsbranche überrascht und muss keine Mieterinnen und Mieter enttäuschen.