Baurecht: Was bringt ein neuer Vertrag?

Zur Übersicht 13.05.2022, Philipp Aeberhard

Viele Immobilien in der Schweiz sind im Baurecht erstellt. Das Grundstück gehört also einer anderen Partei als das Gebäude. Läuft der Vertrag aus, müssen grundlegende Entscheide gefällt werden.

Baurecht ist die graue Eminenz im Schweizer Immobilienwesen. Lange Zeit hält es sich verborgen, doch wenn es sich erst bemerkbar macht, wird seine Macht sichtbar. Das dürfte in Zukunft häufiger passieren, denn die ältesten Baurechtsverträge mit der maximalen Laufzeit laufen aus.

Eine besondere Dienstbarkeit

Zunächst eine kurze Definition. Das Baurecht ist eine besondere Dienstbarkeit, also ein Nutzungsrecht, das man anderen am Eigentum gewährt. Beim Baurecht überlässt eine Grundeigentümerin oder ein Grundeigentümer einer anderen Partei das Recht, auf dem eigenen Boden zu bauen. Das Baurecht muss im Grundbuch eingetragen werden, und in der Regel zahlt die Bauchrechtnehmerpartei der Baurechtgeberpartei einen vorher vereinbarten Baurechtszins. Dieser ist im Baurechtsvertrag festgehalten, der oft auch noch Angaben über die Bauten macht, die auf dem Grundstück zulässig sind.

Verträge und ihre (lange) Laufzeit

Dazu kommt eine zeitliche Komponente: In der Schweiz gibt es das Baurecht seit der ersten Fassung des Zivilgesetzbuchs von 1912. Baurechtsverträge gelten ab einer Laufzeit von 30 Jahren als dauernde Dienstbarkeit. Die gesetzliche Höchstdauer beträgt in der Schweiz 100 Jahre. Das heisst, dass viele der frühen, lang laufenden Baurechtsverträge in den letzten Jahren abgelaufen sind oder demnächst ablaufen.

Heimfall oder Verlängerung?

Wenn ein Baurechtsvertrag abläuft, können zwei Dinge passieren.

1. Der Vertrag wird nicht verlängert und es kommt zum sogenannten Heimfall. Dabei gehen die Bauten auf dem Grundstück in den Besitz der Baurechtgeberpartei über. Diese muss dafür eine Entschädigung zahlen, die sich häufig an einem hohen Anteil des Marktwerts der Immobilie orientiert.

2. Der Vertrag wird verlängert, wobei die Laufzeit wiederum zwischen 30 und 100 Jahre beträgt. In der Regel wird bei einer Verlängerung der Baurechtszins neu festgelegt. Der neue Baurechtsvertrag wird wieder im Grundbuch hinterlegt, was vor Ablauf des alten Vertrags geschehen muss.

Die finanziellen Konsequenzen

Beide Fälle sind nicht ohne Tücken, sowohl für die Eigentümerinnen und Eigentümer der betreffenden Grundstücke als auch für die der Gebäude im Baurecht. Ein Heimfall bringt besonders Eigentümerinnen und Eigentümer grösserer Grundstücke in finanzielle Schwierigkeiten. Die Immobilien, die auf den Grundstücken erstellt wurden, haben in der Regel an Wert gewonnen; eine Entschädigung, die sich am Marktwert orientiert, ist für sie finanziell nicht tragbar. Eine Neuverhandlung hingegen bringt oft eine Erhöhung des Baurechtszinses mit sich. Dadurch werden Immobilien, die unter dem alten Baurechtsvertrag nur knapp rentabel waren, für ihre Besitzerinnen und Besitzer manchmal unrentabel. Knifflig wird es auch bei Stockwerkeigentümergemeinschaften; sie müssen einem neuen Baurechtsvertrag in der Regel einstimmig zustimmen.

Beim Baurecht glänzen die Immobilienprofis

Für uns bei Dr.Meyer sind Baurechtsverträge deshalb ein spannendes Thema, weil wir viele unserer Kompetenzen zur Geltung bringen können. Oft beginnt dies schon bei der Interpretation des ursprünglichen Baurechtsvertrags. Nicht alles, was in den 1920er-Jahren geschrieben wurde, ist laienverständlich formuliert. Bei Heimfällen ist eine realistische und objektive Schätzung von wortwörtlich hohem Wert. Kommt es hingegen zu einer Vertragsverlängerung, sind je nach Immobilie Verhandlungsgeschick zwischen den Parteien oder innerhalb der Stockwerkeigentümerschaft, seriöse Rentabilitätsberechnungen oder ein neues Vermarktungskonzept gefragt. All das wegen der Macht, die eine graue Eminenz namens Baurecht ausübt.